Zwei Jahre Housing First im Mittleren Schussental – 13 Menschen konnten bereits in Wohnraum vermittelt werden
Seit zwei Jahren läuft das Projekt Housing First im Einrichtungsverbund DORNAHOF – in Kooperation mit dem Verein Arkade e.V. und den Gemeinden des Gemeindeverbands Mittleres Schussental (GVV). Gefördert wird das Projekt über drei Jahre vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg sowie der Vector Stiftung. Zwei Drittel der Projektlaufzeit sind inzwischen absolviert – Zeit für eine Zwischenbilanz.
Ziel von Housing First ist es, wohnungslosen Menschen in der Region neue Perspektiven zu eröffnen. Im Mittelpunkt steht dabei die Vermittlung in mietvertraglich abgesicherten Wohnraum – als Grundlage für Stabilität und die Möglichkeit, freiwillig weitere Unterstützungsangebote anzunehmen.
„Inzwischen konnten 13 Personen in Wohnraum vermittelt werden – darunter Einzelpersonen, Paare und sogar eine junge Familie. Alle waren vor der Vermittlung obdachlos“, berichtet Julius-Alexander Rottach, Geschäftsbereichsleiter und Projektverantwortlicher beim DORNAHOF. Sozialarbeiterin Dorothea Knüfer ergänzt: „Ein typisches Muster der Lebenssituation gibt es nicht. Es gibt nicht die oder den klassisch obdachlosen Menschen.“
Besonders auffällig ist jedoch, dass immer mehr junge Erwachsene unmittelbar nach Erreichen der Volljährigkeit am Projekt Housing First teilnehmen. „Viele dieser jungen Menschen waren zuvor in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht oder bereits obdachlos. Der Übergang in die Eigenständigkeit gelingt jedoch oft nicht ohne stabile Wohnverhältnisse“ sagt Rottach.
Ein Beispiel zeigt, was Housing First bewirken kann: Ein junges Paar (sie 18, er 23) lebte zuvor in einer Obdachlosenunterkunft. Als die junge Frau schwanger wurde, setzte das Team alles daran, noch vor der Geburt eine Wohnung zu finden. Für die junge Familie war dies im doppelten Sinne ein Glücksgriff: Erst mit der festen Wohnadresse fand der junge Mann eine sozialversicherungspflichtige Arbeit und kann nun für den Unterhalt seiner Familie sorgen.
Doch der Weg dorthin ist oft schwierig. „Viele unserer Klientinnen und Klienten stoßen bei der Wohnungssuche auf erhebliche Hürden“, berichtet eine Sozialarbeiterin aus dem Housing-First-Team. „Wäre ich bei einigen Besichtigungen nicht persönlich anwesend gewesen, hätten unsere Klienten und Klientinnen kaum eine Chance auf eine Zusage gehabt.“
Ohne festen Wohnsitz geraten viele Betroffene in eine Abwärtsspirale. Ohne Adresse sind Bewerbungen, Arztbesuche oder die Inanspruchnahme von Pflegediensten entweder gar nicht möglich oder deutlich erschwert.
Der Druck auf dem Wohnungsmarkt ist enorm: Auf eine einzige Wohnung bewerben sich häufig mehr als hundert Interessentinnen und Interessenten, wie ein Makler dem Team bestätigte. Besonders schwierig ist die Lage für Menschen im Bürgergeldbezug, da sie festen Mietobergrenzen unterliegen und auf dem Wohnungsmarkt häufig stigmatisiert werden. „Der zulässige Betrag liegt oft deutlich unter den marktüblichen Mietpreisen – das schränkt die Auswahl erheblich ein“, erklärt Rottach.
Viele Klientinnen und Klienten von Housing First erfahren dabei strukturelle Marginalisierung. Neben den finanziellen Einschränkungen machen es psychische Belastungen oder fehlende Erfahrung im Umgang mit Online-Wohnungsbörsen den Klientinnen und Klienten oft schwer, passende Wohnungen zu finden. Wer keinen Zugang zu diesen Plattformen hat oder Hilfe bei der Suche braucht, hat deutlich geringere Chancen.
Das ist einer der Gründe, warum der DORNAHOF und der Verein Arkade e. V. ihre Arbeit aufgeteilt haben. Während der DORNAHOF Netzwerke mit Immobilienvermittlern und dem Wohnungsmarkt allgemein knüpft und die Klientinnen und Klienten dann bei der Wohnungssuche begleitet, sucht Mario Schuhmacher, Streetworker bei der Arkade e.V., auf der Straße und in Obdachlosenunterkünften Kontakt zu den Menschen. Er vermittelt „Housing First” dort, wo sich die Menschen befinden, die davon erfahren sollten.
Diese Erfolgsgeschichte macht Mut: Für einen 19-Jährigen konnte eine Wohnung gefunden werden – damit erhielt er die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen.
Aktuell beschäftigt das Team ein besonders dringlicher Fall: Eine junge, schwangere Frau hat vom Jugendamt die Auflage erhalten, ihr Kind nach der Geburt nur dann behalten zu dürfen, wenn sie einen festen Wohnsitz nachweisen kann. Das Team setzt alles daran, rechtzeitig eine geeignete Wohnung zu finden, denn Housing First versteht sich als erste Stütze auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben. „Unser Ziel ist es, dass niemand allein bleibt und Wohnraum die Grundlage für neue Perspektiven bietet“, betont Julius-Alexander Rottach.
Auf dem Foto v.l.n.r.: Julius-Alexander Rottach, Cecilia Tradowsky, Dorothea Knüfer